vom: 08.07. – 11.07.2015
Location: Neskaupstaður
Eistnaflug 2015 – Das genialste Festival der Welt
Viele Jahre habe ich nun Festival und Konzerterfahrung in der ganzen Welt gesammelt. Viele schöne Erinnerungen sind damit verknüpft, viele Besonderheiten verbinde ich mit den unterschiedlichsten Locations. Als jahrelanger Wacken Reporter (seit 2001) habe ich auch viel Erfahrung mit einem Festival, das einmal im Jahr ein ganzes Dorf in den Ausnahmezustand versetzt sammeln können.
Zu meiner Leidenschaft für Musik kommt seit vielen Jahren eine innige Verbindung in den hohen Norden. Nicht nur musikalisch, sondern auch von den Menschen und der unglaublichen Natur her hat es Island mir angetan. 14-mal habe ich diese wunderschöne Insel schon bereist, habe sie kennen und lieben gelernt. Umso neugieriger war ich im Jahr 2014, als ich das erste Mal beschloss das Eistnaflug Festival in der Ostfjorden der Insel zu besuchen. Ähnlich der Situation in Wacken findet man in einer äußerst exponierten Lage in einem abgelegenen Tal die kleine Stadt Neskaupstaður mit etwa 1500 Einwohnern, die sich jedes Jahr im Juli nahezu verdoppelt.. Einmal im Jahr befindet sich auch diese Stadt im Ausnahmezustand, aus ganz Island und mittlerweile auch aus vielen verschiedenen Ländern dieser Erde pilgern Musikbegeisterte in die nur durch einen kleinen, einspurigen, auf 700 Metern Höhe gelegenen Tunnel zu erreichende Stadt um einem breiten musikalischen Portfolio von Rock und Metal zu lauschen.
Schon 2014 war ich von der gesamten Atmosphäre begeistert. Kaum hat man den abenteuerlichen Tunnel, der seinesgleichen sucht – gemeistert bietet sich einem ein unglaublich schöner Blick auf eine traumhafte Berglandschaft, die sich bis an die Ufer des Meeres erstreckt. Nach einigen Kilometern Fahrt erreicht man das Ortsschild von Neskaupstaður. Zwei Campingplätze hat das Festival zu bieten, einen Familiencampingplatz und einen für alle, die bis tief in die Nacht feiern wollen. Wie auch schon im letzten Jahr entschieden wir uns für den Platz der Feierwütigen und schlugen unsere Zelte auf. Nach einem etwa 15 Minütigen Spaziergang erreichten wir das eigentliche Festivalgelände, das – den isländischen Wetterverhältnissen geschuldet – aus einer großen Sporthalle besteht. Hatte man letztes Jahr noch ein Hotel der Stadt zum Mittelpunkt des Geschehens gemacht, waren sich die Festivalbetreiber dieses Jahr im Klaren das die Größe des Festivals mittlerweile einen Umzug in eine größere Halle nötig machte. Entgegen vieler deutscher Festival Betreiberwurde dies wirklich perfekt umgesetzt, um es vorweg zu nehmen, ich habe selten ein so gut organisiertes und trotzdem so entspannt ablaufendes Festival erlebt. Nachdem wir die üblichen Festival Bändchen erhalten hatten erfuhren wir, dass seit diesem Jahr eine Art Müll und Toilettengebühr erhoben wird, die uns ein weiteres Bändchen bescherte. Vollkommen nachzuvollziehen, wenn man sich überlegt was gut 1500 Menschen an Hinterlassenschaften produzieren.
Nach dem ersten Bier trafen wir uns mit unseren isländischen Freunden, Hallveig und Jón (www.stuckiniceland.com), die aus Reykjavík angereist waren. Gemeinsam begannen wir das Festival mit einer wirklich genialen Band, mit Kontinuum. In der ersten Reihe erlebten wir einen richtig guten Start des Festivals, den wir natürlich gebührend begießen mussten. Da ich auf Grund der Erfahrungen des letzten Jahres keine Akkreditierung für einen Foto Pass vorgenommen hatte (er war letztes Jahr nicht nötig) musste ich dieses Jahr feststellen, dass es auf Grund der Größenänderung dieses Jahr einen separaten Fotograben gab. Mit der Hilfe von Hallveig und Jón gelang es absolut unkompliziert dies nachzuholen. An dieser Stelle meinen großen Dank auch an die Festivalbetreiber, ich habe noch nie so unkompliziert Hilfe bekommen. Für mich etwas typisch isländisches, einer der vielen Gründe warum ich mich diesem Land so sehr verbunden fühle.
Nachdem wir uns mit einer Pizza (eine der besten, die ich jemals gegessen habe) in der nahegelegenen Pizzeria gestärkt hatten erreichten wir die Halle wieder pünktlich um Carcass zu sehen. Die aus England stammende Band war eine der wenigen ausländischen Bands, die jedes Jahr dieses exklusive Festival spielen dürfen. Mit ihrer Grindcore und Death Metal Mischung heizten Carcass auch gleich mächtig ein und brachten die ersten Reihen in Bewegung. Die ersten Haare flogen während Carcass sein vor allem aus Klassikern bestehendes Set spielten.
Nach einigen weiteren Bieren war es dann soweit. Die Band des Abends, auf die nicht nur ich, sondern auch die meisten anderen Festival Besucher sehnsüchtig erwartet hatten: Sólstafir.
Kaum hatten Aðalbjörn und seine Jungs die Bühne betreten begann das Publikum zu jubeln und feierte die Band. Wirklich viel zu schrieben gibt es eigentlich nicht zu Sólstafir. Wer diese geniale Band schon einmal live erleben durfte, der versteht was ich meine. Gerade Aðalbjörn versteht es sein Publikum von Anfang an in seinen Bann zu ziehen. Dieser charismatische Frontmann zusammen mit den unglaublich atmosphärischen Klängen und dem ausgesprochen guten Sound der Halle machten das Konzert zu einem wahren Erlebnis. Als dann noch zu dem unglaublich genialen Song „Fjara“ die gesamte Halle mitsang war für mich die Stimmung auf dem absoluten Höhepunkt.
Ein perfekter Festivaltag neigte sich dem Ende zu und wir verkrochen uns in unsere kalten Schlafsäcke. Irgendwann, spät in der Nacht schlummerte ich ein, die Gesänge der feierwütigen Campingplatz Bewohner in weiter Ferne hörend.
Als ich gegen 10 Uhr am nächsten Morgen erwachte und die frische, aber trockene Luft spürte und die Stille wahrnahm drehte ich mich noch einmal gemütlich im Schlafsack um und genoss es noch einmal einschlafen zu können. Nachdem das Zelt zusammen gepackt war – leider war dies unser letzter Festivaltag, der unser Heimflug nach Deutschland nahte und die Strecke nach Reykjavik ist weit – trafen wir uns gegen 11 Uhr mit Hallveig und Jón zum späten Frühstück und beschlossen in die Nachbarstadt Eskifjördur zu fahren um dort Kaffee zu trinken und das dortige Seemanns Museum zu besuchen.
Pünktlich zu „Lights On The Highway“ kehrten wir in die Festival Halle zurück. Die Isländer, die Ihre Musik mit den Worten „A Little Bit Of Everything“ beschreiben rockten die Bühne und waren der perfekte Einstieg in den heutigen Festivaltag
The Vintage Caravan bestiegen als nächstes die Bühne und sorgten mit ihren Outfits und Stylings sofort für Abwechslung. In enge Kleider gepresst mit Nylon Strumpfhosen sprangen sie wie Gummibälle über die Bühne und rockten. Kaum eine Minute Stillstand gönnten sie sich und die Zeit des Auftritts verging wie im Fluge.
Vallenfyre aus den UK boten danach ein wenig Kontrastprogramm. Die Band des ehemaligen Bassisten von Paradies Lost sorgten mit ihrem Old School Death Metal für gehörig Bewegung im Publikum.
Da dies nicht so wirklich meinem Musikgeschmack entsprach nutzten wir die Chance für einen Besuch am Merchandise Stand und dem genialen Hamburger Wagen. Bei einem Bier und einer Tasse Kaffee verging die Zeit wie im Fluge und es wurde Zeit für Dimma.
Die Lokalhelden aus Island hatten Ihr Publikum schon mit Betreten der Bühne für sich gewonnen. Sänger Stefán überzeugte mit seiner klaren und schönen Stimme, untermalt vom Dimma eigenen Sound. Nicht nur stimmlich, auch von der Bühnenshow her konnten Dimma absolut überzeugen, vor allem Gitarrist Ingo erstaunte mich immer wieder mit seinen akobatischen Showeinlagen. Für alle Besucher Reykjaviks sei noch kurz erwähnt das Basist Silli in Reykjavik eine sehr geniale Bar mit Namen „Skúli“ betreibt, die ich dank Jón schon ausgiebig testen konnte.
Inquisition aus den USA sorgten mit Corpse Paint und eisigem Black Metal Sound für eine vollkommen andere Atmosphäre. Die nur aus zwei Mitgliedern bestehende Band spielte ihr Set ohne große Höhen und Tiegen, typischer Black Metal mit wenigen Besonderheiten.
Enslaved waren für mich neben Skalmöld die Band des Tages. Schon lange liebe ich die Musik und die Alben der norwegischen Metal Band der ersten Stunde. Enslaved haben neben ihrer genialen Musik vor allem eins zu bieten: Ausstrahlung. Gerade Sänger Ivar und Gitarrist Grutle sorgen dafür dass dem geneigten Hörer keine einzige Minute langweilig wird. Enslaved’s musikalische Mischung aus cleanem Gesang, keifenden Black Metal Vocals, melodischen Passagen und knallharten Riffs, unterlegt mit Texten die vor allem aus der nordischen Mythologie erzählen ziehen mich schon lange in ihren Bann und taten es auch dieses Mal wieder. So verging die Zeit leider wie im Fluge vor allem als meine beiden Lieblingssongs „Ethica Odini“ und „Allfaðr-Oðinn“ gespielt wurden.
Mit der letzten Band des Abends kam für uns leider auch der Abschied vom diesjährigen Eistnaflug Festival immer näher.
Trotz dem überwog die Vorfreude auf Skálmöld. Vor allem freute ich mich darüber Sänger Björgvin wieder zu sehen, verbindet mich doch eine lose Freundschaft mit ihm, bei der wir uns nun schon länger jedes Jahr auf dem ein oder anderen Festival wieder sehen. So freute es ich ganz besonders das Björgvin mich schon im Fotograben sah und begrüßte.
Wie gewohnt gaben Skálmöld auch auf dem diesjährigen Eistnaflug Festival richtig Gas. Das sehr zahlreich anwesende Publikum dankte es ihnen mit lauten Chören, fliegenden Haaren und jeder Menge Action. Man konnte der Band ihre Spielfreude geradezu ansehen und genau diese Stimmung breitete sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Halle aus.
Viel zu früh endete die Show und nach ausgiebigem Verabschieden machten wir uns auf den langen Weg nach Reykjavik.
Für alle, die ich mit meiner Begeisterung für dieses außergewöhnliche Festival anstecken konnte hier noch ein paar Daten:
Wir haben das Festival immer mit einer Tour um die gesamte Insel oder ins Isländische Hochland verbunden. So kann man die wunderbare Natur und die Gastfreundschaft der Isländer richtig erleben und genießen. Der Kontrast zwischen Natur und Festival, der eigentlich keiner ist, sondern eng miteinander verbunden ist macht diese Kombination so interessant.
Der Fahrweg von Reykjavík beträgt, wenn man über den Norden der Insel fährt 715 Kilometer. Diese fast 9 stündige Fahrt sollte man am besten in mindestens zwei Etappen aufteilen. Die isländische Natur ist so schön und vielfältig, das man sich ruhig etwas mehr Zeit nehmen sollte.
Die drei Festivaltage Kosten umgerechnet etwa 150 Euro, für ein vier Tage Festival ein absolut normaler Eintritt. Da in Island Alkohol sehr teuer ist sollte man diese Ausgaben allerdings in den Besuch mit einplanen.
Ein guter Leihwagen, ein gutes Zelt und vor allem ein guter Schlafsack machen den Aufenthalt noch einmal um einiges komfortabler.
Für alle, die noch mehr Informationen benötigen hier noch die wichtigsten Links:
Die Festivalseiten:
https://www.facebook.com/EistnaflugFestival
Stuck In Iceland, für alle die mehr über Island erfahren möchten, abseits der normalen Touristenwege mit vielen Tipps zum günstigen Reisen:
Und natürlich gerne auch über mich:
http://www.eldborg.de
Alles in allem bleibt mir nur das Fazit: Eistnaflug, wir sehen uns wieder im kommenden Jahr!